Markus Hansen – und die sanfteste Technik des Aikido
Der ist soooo nett, heißt es, soooo toll, hat soooo viel Ahnung. Ein richtig Lieber ist das, soooo sympathisch, soooo einfühlsam, ein echtes Bärchen – den wirst Du lieben!!! Wer sagt, dass ich auf liebe Bärchen stehe? Mein Beuteschema sieht eher aus wie Bryan Ferry. Der hat von Aikido wahrscheinlich nicht den blassesten Schimmer, aber singen kann er, und sieht auf seine arrogante unnahbare Weise unverschämt gut aus. Aber in Aikido-Kreisen zählt das wenig, da stehen andere Qualitäten im Vordergrund – Zentrumseinsatz, Tegatana und ein perfektes Sabaki. All das beherrscht Markus Hansen sowieso, und darüber hinaus noch viel mehr.
„Bei dem verlierst selbst du die Scheu vor dem Aiki-Otoshi“, verspricht mein Uke mit Ehrfurcht in der Stimme. „Bei Markus ist das die sanfteste Technik des Aikido.“
HALT! Man muss wissen, wo Begeisterung aufhört und Glorifizierung und Mystifizierung anfängt. Der Aiki-Otoshi kann nicht sanft sein. Er tut weh, er macht blaue Flecken, und wenn es nach mir ginge, gehörte er per Gesetz verboten. Aber mich fragt ja keiner. Und weil das so ist, musste ich auch mit zum Jubiläumslehrgang „20 Jahre Aikido-Club-Harburg e. V.“.
Normalerweise mache ich um Lehrgänge einen großen Bogen, aber diesmal gab's keine Ausreden. „Du kommst mit, dann kannst du auch endlich Markus Hansen kennenlernen“, meinte mein Uke. – „Wer ist das?“, fragte ich. Er starrte mich entgeistert an. – „He, schon gut, war doch nur ein Scherz!“
Ich traf den großen Meister auf dem Parkplatz vor der Mehrzweckhalle am Stübenhofer Weg in Hamburg Kirchdorf. Dezente Brille, gemütliche Figur, fester Händedruck. Nettes Bärchen. Dachte ich. Wenig später sahen wir uns auf der Matte wieder.
Es ist doch schon erstaunlich, was ein schwarzer Hakama ausmacht. Das Bärchen mit Brille mutierte zum Meister 4. Dan Aikido, der seine Uke – alles gestandene Schwarzgurte – aussehen ließ wie schmalbrüstige Sparringspartner. Einen Gegner wehrlos am Boden fixiert, ließ er einen zweiten dank festem Kote-hineri-Griff jammernd und winselnd um sich herumtanzen, ohne dabei selbst auch nur einen Schweißtropfen zu opfern oder gar außer Atem zu geraten
„Echt cool“, seufzte ganz fasziniert einer junger Gelbgurt neben mir. Ja, echt cool!, dachte ich. Von wegen liebes Bärchen und diese „der-tut-nix,-der-will-nur-spielen-Masche“. Aikido kann auch weh tun! Und zwar richtig!
Es geht aber auch sanft. Und da sind wir beim Aiki-Otoshi. Der Angriff „Ushiro-kakae-tori“ ließ mich schlimmstes befürchten. Doch siehe da, es kam ganz anders.
Markus machte es vor. Umklammerung von hinten, dann den Kugelfisch machen, dem Gegner einen kleinen Impuls nach vorne geben, hinter ihn treten, ihn aus dem Gleichgewicht bringen und auf die Matte legen. Alles gaaanz einfach, alles gaaaanz sanft.
Ach, für Sekunden bekam ich ein Gefühl davon, wie Aiki-Otoshi sein kann. Als Uke und auch als Nage (wenn auch mit Leichtgewicht Agnes). Für Sekunden hatte ich das Gefühl: Mein Gott, jetzt hab ich's! Mein Gott, jetzt kann ich's!
Jetzt sitze ich am Computer und denk an Montag. 17 Uhr Training bei Eckhard. Wenn ich Glück hab, sucht er sich ein anderes Opfer, wenn ich weniger Glück habe, erinnere ich mich hoffentlich noch an den „Kuuugelfüsch“, aber wie ging's dann weiter? Wo war der Trick, der alles so leicht machte? Keine Ahnung, ich hab's vergessen.
Nicht vergessen aber werde ich einen sehr kurzweiligen Samstagnachmittag auf der Matte in Harburg. Und die köstlichen Shrimps, die anschließend live im Wok gebrutzelt wurden und die schon allein das Kommen lohnten. Was für eine tolle Idee! Was für ein netter Abend. Leider musste mein Uke viel zu früh los, und so stahlen wir uns heimlich davon.
„Na“, hat er im Auto gesagt, „hab ich zu viel versprochen? Der Markus, das ist doch wirklich ein gaaanz netter!“
Angesichts solcher Äußerungen frage ich mich schon, ob der den Nachmittag in der Umkleidekabine verbracht hat? Hat er denn nicht gesehen, was dieser Mensch zum Schluss mit seinem Uke gemacht hat, als er uns noch mal kurz ein paar Übungen zeigte, die er eigentlich auch mit uns einstudieren wollte. Keine Ahnung, wie sie hießen und ob sie überhaupt zur Prüfungsordnung gehören, aber zu jeder einzelnen sollte man den dringenden Warnhinweis geben: „Don't try this at home!“ Und an meinen Uke gewandt: „Don't try this with your uke – wenn dir meine Freundschaft lieb und teuer ist.“
Denn wenn ihr mich fragt, der Markus, der tut nur so nett, in Wirklichkeit ist der gaaanz anders. Aber mich fragt ja keiner!
Petra Meyer-Schefe